Ein seltenes Zeitdokument

Die "großen" Eisenbahnfotografen der Vergangenheit haben uns viele herausragende Bilder längst vergangener Eisenbahnepochen hinterlassen. Schriftliche Zeugnisse sind hingegen selten. Lediglich von Carl Bellingrodt gibt es viele von ihm selbst beschriebene Karten, die - wenn sie nicht vernichtet wurden - den Weg in die Sammlungen des ein oder anderen Sammlers fanden.

Von vielen hingegen sieht man selten schriftliche Zeugnisse, wenn überhaupt. Von anderen kennen wir nicht einmal den vollständigen Namen, geschweige denn biografische Daten. Als Beispiel sei "Krebs" genannt. Es gibt in den Hinterlassenschaften Carl Bellingrodts etliche Bilder mit dem Stempel "Krebs, Magdeburg". Doch wer war er? Hieß er Wilhelm Krebs, wie mich eine Quelle vermuten ließ? Oder war er der Inspektor Wilhelm Krebs, der diverse Aufsätze in der Zeitschrift für Bauwesen veröffentlicht hat? Wir wissen es nicht. Auch das Magdeburger Stadtarchiv hat in seinen Unterlagen und alten Adressbüchern keine zu einem frühen Fotografen von Lokomotiven passenden Angaben finden können.

Mehr hingegen wissen wir von Werner Hubert. Seine Sammlung wurde im Dresdener Feuersturm unwiederbringlich zerstört, er selbst überlebte den Krieg als gebrochener Mann. Nicht zuletzt Carl Bellingrodt ist es zu verdanken, dass große Teile seiner Bilder reproduziert und so der Nachwelt erhalten bleiben konnten. Und natürlich tauchen auch immer wieder alte Postkarten von ihm auf. Gut zu erkennen an dem WH auf der Rückseite.

Ich hatte das Glück, dass nun eine von ihm selbst beschriebene Karte in meine Sammlung gelangt ist. Welchen Weg diese Karte wohl genommen haben mag? Sie stammt vom 23.12.1932 und ist mit Weihnachtsgrüßen an den Eisenbahn-Oberingenieur a.D.  E. Knoche gerichtet. Den Weihnachtswünschen folgt der Satz "Hoffentlich bringt das nächste Jahr die lang ersehnte Besserung der allgemeinen Lage".

Interessant übrigens die Leipziger Absenderadresse von Werner Hubert. Und die Zieladresse in Magdeburg - dem Ort von "Krebs", der übrigens tatsächlich überwiegend Lokomotiven des preußischen Direktionsbezirks Magdeburg fotografiert hat.

Die Lokomotive - eine der in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf Heißdampf umgebauten Zweizylinder Verbundmaschinen der preußischen Gattung G5.4 - trägt auf dem Bild die Nummer 54 908. Aufnahmeort ist deren Heimatdienststelle in Heide. Aufnahmedatum vermutlich das Jahr 1932 - denn ich vermute einfach mal ganz menschlich, dass Werner Hubert eines seiner neuesten Bilder als Weihnachtskarte verschickt hat.

Hans Kobschätzky

 

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