Neustadt-Eslarn

Nicht umsonst werden Oberpfalz und Oberfranken als Bayerisch Sibirien bezeichnet. Im Winter 1936/37 kam bei Vohenstrauß wie so oft eine Schneeschleuder auf der Strecke zum Einsatz.
Aufnahme: Reichsbahn-Kalender

Streckengeschichte Neustadt/Waldnaab - Floß - Vohenstrauß - Eslarn

Bau und Eröffnung

Am 16. Oktober 1886 wurde der Abschnitt Neustadt/Waldnaab - Vohenstrauß eröffnet, nachdem jahrelange Planungen und Diskussionen vorangegangen waren. Schon Jahrzehnte früher, beim Bau einer Haupt-Verbindung nach Böhmen, war eine Streckenführung über Vohenstrauß im Gespräch gewesen, jedoch wurde 1861 dann der Führung über Schwandorf, Cham und Furth im Wald nach Taus der Vorzug gegegeben sowie 1864 dann der Route über Wiesau und Waldsassen nach Eger.

Die verschiedenen Gemeinden und Persönlichkeiten, allen voran Gustav von Schlör, forderten in zahlreichen Petitonsschriften weiter eine Eisenbahn in den Oberpfälzer Wald, wobei man selbst mit einer Schmalspurbahn zufrieden gewesen wäre.

Bei der Planung der Nebenbahn konkurrierten zwei Varianten:
Die eine Variante sah vor, parallel mit der Hauptlinie Regensburg - Hof nach Süden bis Rothenstadt zu verlaufen, um dann über das Tal der Luhe über Leuchtenberg Vohenstrauß zu erreichen.
Die Alternativplanung sah vor, ebenfalls parallel zur Hauptbahn Regensburg - Hof von Weiden aus nach Norden bis nach Neustadt zu verlaufen, um hier im Tal der "Floß" über die gleichnamige Ortschaft bis nach Vohenstrauß trassiert zu werden. Beide Varianten hatten den Nachteil, einen erheblichen Höhenunterschied überwinden zu müssen.

Nachdem die Führung über Floß mehr Ortschaften an die Bahn anschloß und damit die Aussicht auf ein höheres Frachtaufkommen bestand, wurde der Trasse über Floß der Vorzug gegeben.
Ursprünglich sollte für die Nebenbahn ein drittes Streckengleis zwischen weiden und Neustadt/Waldnaab errichtet werden, das nie zur Ausführung kam.

Die Streckenlänge von Neustadt/Waldnaab bis Vohenstrauß betrug 25 km. Am 16. August 1900 wurde die Linie um 16,95 km nach Waidhaus und am 1. Oktober 1908 um weitere 7,64 km bis nach Eslarn verlängert. Damit war die 49,8 Kilometern lange Nebenbahn fertiggestellt. Am 1. Mai 1913 erfolgte die Eröffnung der 6,2 km langen Stichstrecke von Floß nach Flossenbürg. Später hatte die Nebenbahn durch die Stichstrecke nach Floßenbürg mit dessen Konzentrationslager ihren Anteil an der Vernichtungsmaschinerie des Dritten Reiches zu tragen.

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Streckenverlauf

Mit Eröffnung der Nebenbahn bildete der Bahnhof Neustadt/Waldnaab einen Keilbahnhof. Direkt hinter dem Bahnhof wurde auf einer stattlichen Brücke die Waldnaab überquert und in einer Linkskurve begann die Steigung zur Haltestelle St. Felix (km 0,8 mit Fabrikanschluß und beschrankten Bahnübergang) die günstig im Ortskern von Neustadt lag. Es folgten zwei Anschlußstellen (km 1,7 Glaswaren und km 2,0 Kraus) ehe Neustadt verlassen wurde. Nach Überquerung der Floß wurde der Streckenverlauf reizvoller. Zunächst verlief die Trasse fortlaufend ansteigend im Tal der Floß durch einen Wald, überquerte dann auf einer Brücke die Girnitz, erreichte eine bizarre Felswand. Nach der Querung von Störnstein wurde die zugehörige Haltestelle bei km 4,6 in einer weiten Rechtskurve erreicht. Die Trasse verlief in starker Steigung durch ein ausgedehntes Waldgebiet. Beim Weiler Schönberg wurde der Wald verlassen. Es folgte ein noch stärkerer Anstieg mit einer S-Kurve an Meierhof vorbei zum Haltepunkt Gailertsreuth (km 7,7), der abgelegen und idyllisch lag. Dort gab es hier früher einen Wasserkran. Kurz hinter dem Haltepunkt wurde ein kurzes Waldstück erreicht, danach wechselten Wiesen und Felder ab. Nach einem beschrankten Bahnübergang in km 9,9 war der Bahnhof Floß erreicht, der Formeinfahr-signale hatte.

Hinter Floß war ein Hochplateau erreicht, auf dem die Bahntrasse bis Vohenstrauß im ständigen Wechsel zwischen Steigungen und Gefällen und in unzähligen Kurven verlief. Wiesen und Felder wechselten sich nun ab. Es folgten die Betriebsstellen Haupertsreuth (km 12,7), Grafenreuth (km 14,2), Anschlußstelle Waldthurn (km 16,1) die samt Lagerhaus und Sägewerk in der Ortschaft Ottenrieth liegt. Der Gleisanschluß der Firma Kraus (Sägewerk) brachte etwas Frachtaufkommen; der Ort lag allerdings weit vom Bahnhof entfernt. Weiter ging es nun durch das Hügelland. Nach Lindner-Mühle bei km 19,0, lag die Anschlußstelle Albersrieth, am Rande der Ortschaft. Es folgte der Haltepunkt Waldau (km 22,3), der in einer Kurve und in starker Steigung lag. So ist es nicht verwunderlich, dass hier das Anfahren mit schweren Zügen bei schmierigen Schienen eine große Herausforderung für das Lokpersonal war. Anschließend zog sich die Trasse durch weitgehend freies Gelände bis zum Bahnhof Vohenstrauß (km 25,2). Das Empfangsgebäude und der zweiständige Lokschuppen standen am Rande der ehemaligen Kreisstadt. Hier gab es früher einen Fabrikanschluß mit eigener Werklok Vohenstrauß sowie zwei Einfahrsignale.

Nach dem beschrankten Bahnübergang in Vohenstrauß begann das reizvollste und betrieblich anspruchvollste Stück der Strecke, der knapp vier Kilometer lange Aufstieg zum Fahrenberg mit einer erheblichen Steigung vo ca. 20 Promille. Bei km 28,9 lag früher einsam mitten im Bergwald der Haltepunkt Fahrenberg, der gleichzeitig Brechpunkt der Steigung war. Ab hier ging es weiter im Wald wieder abwärts zur Stadt Pleystein, Anschlußstelle in km 33,0. Hier waren die Top-Motive für Eisenbahnfreunde zu finden. So konnte man Züge aus Richtung Eslarn gut direkt vom Bahnsteig aus fotografieren, da die Strecke unter einer alten Steinbrücke hindurch den Bahnhof erreichte. Zwischenzeitlich ist die Brücke abgebrochen und der Einschnitt aufgefüllt. Reizvoll war auch das Streckenstück bis zum nächsten Ort Lohma: bei km 35,0 befand sich eine schöne mittelhohe Steinbrücke über den Zottbach. Die Anschlußstelle Lohma (km 36,6) mit ihrem alten Empfangsgebäude, dort gab es planmäßige Zugkreuzungen. Wieder folgte Wald bis Finster-Mühle, dann folgte die Trasse der Pfreimd, erreichte den Haltepunkt Burkhardsrieth in km 39,0 und nach zahlreichen Weihern bei Hörl-Mühle die Anschlußstelle Wolf in km 41,6 sowie den Bahnhof Waidhaus in km 42,2.

Waidhaus wurde in einer engen Rechtskurve verlassen. Bald wurde die Pfreimd auf einer mehrteiligen Brücke gequert. Es folgten der Haltepunkt Pfrentsch (km 44,8), mehrere Fischteiche und nach einem Waldabschnitt ging es bei km 46,2 in starkem Gefälle vorbei an der Anschlußstelle Dippl (km 49,2) und dann über eine schöne Brücke dem Endbahnhof Eslarn in kam 49,8 entgegen. Dort gab es einen zweiständigen Lokschuppen, der Schienenbussen und den Dampflokomotiven gedient hatte sowie ein Empfangsgebäude.

Betrieb

Die Züge führten in der Anfangszeit sowohl Personen- als auch Güterwagen mit sich. Dies erforderte auf jeder Station mit Abfertigung einige zeitraubende Rangierfahrten. Anfangs wurden Maschinen der Bayerischen Ostbahn vom Typ D VI und D VII eingesetzt.
Die im Lokomotiv-Verzeichnis der Bayerischen Staatsbahn aufgelistete Lok "Vohenstrauß" war für diese Strecke allerdings wegen der Steigungen zu schwach. Ferner gab es zwei D VII mit den Namen von Orten an dieser Strecke, es handelt sich dabei um:

"Floß"
Fabriknr. 1425
spätere 98 7637

"Sternstein"
Fabriknr. 1426
spätere 98 7638

Beide Maschinen wurden 1886 bei der Firma Maffei gebaut. Ob die beiden auf dieser Bahn eingesetzt waren, ist nicht nachgewiesen. Eine Lok der Baureihe D VII konnte in Richtung Vohenstrauß 7 Wagen ziehen, in der Gegenrichtung 9. Ab 1908 kam die stärkere Baureihe DXI hinzu, durch die der Ausdruck "Eslarner Bockl" entstand. Diese Baureihe wurde bei der Deutschen Reichsbahn als 98.4-5 bezeichnet und war bis nach dem 2. Weltkrieg hier eingesetzt.

Später erfolgten Einsätze der Baureihen Pt 2/3 (Baureihe 70), GtL 4/4 (Baureihe 98.8) sowie die von 1934 bis 1940 vom RAW Weiden umgebauten GtL 4/5 (Baureihe 98.10).

Nach dem 2. Weltkrieg kam die Baureihe 64 zum Einsatz, wobei es öfters Doppeltraktionen bunt gemischter Baureihen (64, 70 und 98) gab. Zum einen hatten die Güterzüge von und nach Eslarn häufig Grenzlast sowie bei Verstärkung der Züge im Winter und für Überführungen für die in Floß abzweigende Flossenbürger Linie. Kurzzeitig soll nach dem 2. Weltkrieg ein Glaskasten eingesetzt worden sein. In den 50er Jahren erschienen wie überall die Schienenbusse der Baureihen VT 95 und später VT 98 auf der Nebenbahn.

Mit der großen Ausmusterungswelle bayerischer Lokalbahnloks wurde die Strecke das Haupteinsatzgebiet für die Weidner 64er. Als 1970 der halbe Weidener 64er-Bestand im Ausbesserungswerk war, fuhren die verbliebenen 64er fast ausschließlich nach Eslarn. Die Ersatz-50er war für die altersschwache Brücke über die Waldnaab in Neustadt zu schwer.

Die Zuteilung der BR 211 (ex V 100) ins Weidener Betriebswerk brachte anfangs Probleme mit sich. Die schwierige Streckenführung nach Eslarn, verbunden mit Güterzügen an der Grenzlast sorgte für zahlreiche Ausfälle der Dieselloks. Wieder war man froh, noch auf die 64 zurückgreifen zu können. Selbst Anfang der 1970er Jahre, als den 64ern nur mehr die Beförderung der beiden Güterzug-Paare nach Eslarn oblag, wurde bei hoher Schneelage hin und wieder auch ein Personenzug mit Dampf bespannt.

Die Dieselloks der Baureihe 211 (ex V 100) kamen bis zur Einstellung des Reisezugverkehrs zwischen Floß und Eslarn am 1. Juni 1975 dort zum Einsatz. Danach verkehrten diese Maschinen in der Regel mit drei Personenwagen-Päärchen des Typs BDyg bis Floß, wie auch der VT 98 ein-, zwei- und dreiteilig zum Einsatz kam. Den verbliebenen Güterverkehr auf den auf vereinfachten Nebenbahnbetrieb rückgebauten Abschnitt zwischen Floß und Eslarn besorgte eine mit BR 211 bespannte Übergabe, im Winter auch in Doppeltraktion. Als Ersatz für die BR 211 dienten Loks der BR 260 (ex V 60). Am Samstag verkehrte eine Übergabe von Weiden bis Vohenstrauß, am Sonntag herrschte Betriebsruhe.

Bis zum Ablauf des Winterfahrplans 1982/83 verkehrten die meisten Personenzüge nach Floß mit BR 211 und drei 4achsigen Umbauwagen.

Für den Bau einer Gasleitung aus der Tschechoslovakei nach Waidhaus kommend wurden im Frühjahr 1986 mit insgesamt 16 Sonderzügen die Röhren (insgesamt 2.500 Stück) per Bahn bis nach Vohenstrauß befördert. Durch die neue Naabbrücke in Neustadt konnte hierfür auch die Diesellokomotive der BR 218 zum Einsatz kommen. Die baufällige Naabbrücke in Neustadt war hierfür rechtzeitig zum Fahrplan 1984/85 generalüberholt worden.

Zum 30. Mai 1992 wurde der Personenverkehr zwischen Weiden und Floß endgültig eingestellt. Neben einer Sonderfahrt im Jahre 1992 mit der 50 622 nach Eslarn, verkehrte der endgültig letzte Personenzug nach Eslarn als Sonderfahrt im Mai 1993 mit der 86 457. Anschließend wurde der Güterverkehr zwischen Eslarn und Vohenstrauß eingestellt und die Gleise abgebaut. Die Rest-Strecke bis Vohenstrauß wurde weiterhin zweimal wöchentlich von einer Köf der Baureihe 335 von Weiden aus bedient, bis 1995 auch hier der Gesamtverkehr endgültig eingestellt wurde. Das ehemalige Gleisbett zwischen Vohenstrauß und Eslarn ist heute zum Teil in einen Radweg umgebaut.

Im Herbst 1998 und in den ersten Monaten 1999 wurden auch noch die restlichen Gleise zwischen Vohenstrauß und St. Felix abgebaut. Die Anschlußstelle Glaswaren wird immer noch von der Weidner KÖF bedient.

Anekdoten

Ein besonderes Verfahren wurde in Eslarn beim Umsetzen der Lok angewandt, zumindest zu den Zeiten, als die 64er dominierten. Anstatt des üblichen Umsetzverfahrens im Endbahnof Eslarn, bei dem die Lok um den Zug herum über das Überholgleis umsetzte, wurde eine abgeänderte Art des sogenannten "Russen" oder "Russisch Rangieren" praktiziert. Dieses war eigentlich streng verboten, aber auf diese Weise mußten nicht 4 Weichen per Hand gestellt werden.

Das Russen lief in Eslarn wie folgt ab: nachdem der Zug am Bahnhof angekommen war und die Reisenden die Wagen verlassen hatten, wurde die Lok vom Zug abgekoppelt. Die Lok drückte den Zug unter starker Beschleunigung und einem Pfiff aus dem Bahnhof hinaus in die starke Steigung. Vor der Weiche zum Lokschuppen und der Bekohlung bremst die Lok stark ab, so daß die Lok nach der Weiche zum Halten kam. Die abgekoppelten Wagen liefen durch den Schwung noch ein Stück weit alleine in die Steigung hinein. In der Zwischenzeit legte der Heizer die Weiche zum Lokschuppen um und die Lok räumte das Bahnhofsgleis. Danach wurde die Weiche wieder zurückgelegt und die Wagen rollten an der Lok vorbei von alleine durch das Gefälle wieder zurück in den Bahnhof. Der Zugführer sicherte die Prozedur mit der Handbremse der Wagen ab. Anschließend wechselte die Lok wieder auf das Bahnhofsgleis und rückte an die Zuggarnitur auf. Nach der Bremsprobe konnte die Rückfahrt nach Weiden beginnen.

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Bahnhöfe:

Neustadt (Waldnaab)
St. Felix
Störnstein
Gallertsreuth
Floß
Haupertsreuth
Grafenreuth
Waldthurn
Albersrieth
Waldau
Vohenstrauß
Fahrenberg
Pleystein
Lohma
Burkhardsrieth
Waidhaus
Pfrentsch
Eslarn

 

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