Import-Lokomotiven

Die Importlokomotiven der DR – germanisierte Kraftpakete aus dem Osten

von Thomas Böttger

Auf Grund einer Spezialisierungsvereinbarung zwischen den Mitgliedsländern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) war es der DDR-Schienenfahrzeugindustrie nur gestattet Diesellokomotiven in der Leistungsklasse unter 2.000 PS zu entwickeln und zu produzieren. Und das obwohl im DR-Neubauprogramm bereits die V 240 mit zwei 1.200 PS-Motoren auf Basis der V 180 vorgesehen war. Tatsächlich baute LKM 1965 nur die Versuchslokomotive V 240 001, um nicht gegen diese Festlegung zu verstoßen. Auf Grund der positiven Erfahrungen mit dieser Versuchsmaschine rüstete die DR zwar in den 1970er Jahre etliche 118er mit leistungsstärkeren Motoren aus, die Beschaffung der V 240 musste aber unterbleiben.

120 001 und 321 am 16.8.1990 im Bw Leipzig-Wahren. Sammlung Stefan Eisenhut.

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Stattdessen nahm die Deutsche Reichsbahn die sowjetische V 200 in ihr Typenprogramm auf. Obwohl in der Sowjetunion die 5 Fuß-Breitspur (= 1.524 mm) üblich war, produzierte man in der Diesellokomotivfabrik „Oktoberrevolution“ in Lugansk auch normalspurige Lokomotiven für den Export. Die Deutsche Reichsbahn erhielt 1966 die ersten beiden Vorauslokomotiven V 200 001 und V 200 002. Da diese dieselelektrischen Maschinen keine Einrichtungen für die Zugheizung besaßen, waren sie nur im Güterzugdienst einsetzbar. Ersetzt werden sollte durch die V 200 aus „Freundesland“ hauptsächlich die Dampflokbaureihe 44.  Die Maschinen hatten zwar bei ihrem Auftauchen nicht immer das beste Image, trotzdem waren sie eine große Erleichterung für die Personale. Der Chemnitzer Lokführer Peter  Bernhardt, welcher die 44er über Jahre kennen gelernt hatte, äußert sich in seinem Buch „Abgefahren“ wie folgt dazu: „...Ein Kohlefresser und Heizertod, die Schöne unter den Dampfrössern. Allenfalls geeignet, um Nostalgiker zu blenden. Wir alle waren ehrlich erleichtert, als im Jahr 1965 die ersten, im sowjetischen Lugansk gebauten Diesellokomotiven der BR V 200 auftauchten. Keiner, weder Lokführer noch Heizer, letztere schon gar nicht, weinten der 44er auch nur eine Träne nach...“

Für den Spitznamen „Taigatrommel“ sorgte neben der Herkunft der Maschinen hauptsächlich der lautstarke Zwölf-Zylinder-Dieselmotor, welche nach dem Zweitaktsystem arbeitete. Da die V 200 der ersten Lieferserie über noch keinen wirkungsvollen Schalldämpfer in der Abgasanlage verfügten, glich die Anfahrt mit einem schweren Güterzug einem Trommelwirbel. Sogar Fensterscheiben sollen dabei zu Bruch gegangen sein. Überhaupt war der Lärm das Problem dieser Maschinen, deshalb nahm die reichsbahneigene VES-M in Halle Messungen in den Führerständen und außerhalb der Maschine vor. Um den viel zu hohen Geräuschpegel nach außen hin abzusenken, entwickelte die Hallenser Versuch- und Entwicklungsstelle der Maschinenwirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Hersteller Abgasschalldämpfer. Damit wurden dann die bereits gelieferten V 200 nachgerüstet, ab Baujahr 1969 erfolgte dies sogar schon ab Werk. Aber auch an anderen Bauteilen zeigten sich konstruktive Mängel, um deren Beseitigung sich die DR selbst zu kümmern zu hatte ...

Da der Deutschen Reichsbahn zum baldigen Abschluss des Traktionswechsels noch eine Diesellokomotive für den schweren Reise- und Güterzugverkehr auf Hauptstrecken fehlte, stand eine auch Maschine mit einer Leistung von 3.000 PS auf dem Beschaffungsprogramm. Sicherlich hätte diese Lücke durch eine Weiterentwicklung der V 180 geschlossen werden können, wenn nicht die Festlegungen des RGW gewesen wären. Da die Reichsbahner inzwischen genügend Erfahrung im Umgang mit der sowjetischen V 200 gesammelt hatten, griff man hierfür wieder auf ein Produkt aus der Lugasker „Lokschmiede“ zurück. Um vordringlichen Bedarf zu decken, beschaffte man zunächst reine Güterzuglokomotiven, ohne Zugheizanlage, welche bei der DR als Baureihe 130 und 131 bezeichnet worden. Der technische Unterschied zwischen beiden Bauarten bestand lediglich in der Zugkraft und Höchstgeschwindigkeit bedingt durch unterschiedliche Antriebsübersetzungen. Die Auslieferung der universell einsetzbaren BR 132 begann später, da die Lugasker erst 1973  die Entwicklung der elektrischen Zugheizeinrichtung abschließen konnten. Obwohl technische Produkte aus der Sowjetunion immer mit einem gewissen Vorbehalt betrachtet wurden, erwiesen sich die neuen Maschinen schnell als Erfolgsmodell. Bei Entwicklung der 132 hatte man sogar auf „kapitalistisches“ Know-how zurückgegriffen, so bei der Bremsanlage (Knorr/München) und dem Fahrtenschreiber (Hassler/Bern). Man traute den Russen wohl die Entwicklung und Produktion einer solchen Maschine nicht so recht zu. Denn zu stark hingen wohl noch die Probleme mit der V 200 in Köpfen fest, an denen auch die allgegenwärtigen roten Banner mit der Floskel „Von der Sowjetunion lernen - heißt Siegen lernen!“ nichts ändern konnten.

132 bzw. später 232 392 mit EC 44 von Berlin nach Warschau am 21.3.2001 im Bahnhof Frankfurt/Oder. Foto Thomas Lenhart.

Lassen wir nun zur 132er nochmals Meister Bernhardt zu Wort kommen: „... Eine Lokomotive – universell einsetzbar und von einem selten gutmütigen Charakter. Sogar große Stümper meines Berufsstandes kommen mit ihr zurecht. Wer sie mit Gefühl und Bestand bedient, für den scheint die Sonne im Job ... Nur Ignoranten nannten sie abfällig „Kreml-Wanze“! ...Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, dass dieses Traumboot, diese „Ludmilla“, die Russen konstruiert und gebaut haben...“

Wie vieles bei der Eisenbahn bekam auch die 132 schnell ihren Spitznamen. Der häufig vorkommende russische Frauenname „Ludmilla“, wirkt aber nicht abwertend, sondern deutet eher auf den (durchschnittlich) unkomplizierten Charakter der Maschine hin. Auch zeugt von dem Erfolg dieser Konstruktion, dass auch die heutige Deutsche Bahn noch nicht auf diese Kraftpakete aus Russland verzichten kann.

Ursprünglich hatte die Deutsche Reichsbahn die Abstellung ihrer Regelspur-Dampflokomotiven für das Jahr 1975 anvisiert, was man später auf 1980 korrigierte. Bekanntermaßen schaffte dies die DR aber erst acht Jahre später. Es mangelte nach wie vor an Diesellokomotiven, welche die Pläne der Baureihen 50, 52 und 95 übernehmen konnten. Die Entwicklung der V 180 lag schon über 15 Jahre zurück und es zeichnete der Trend zum vollständigen Übergang auf elektrische Zugheizung im Reisezugverkehr ab. Wieder war der RGW, welche die Produktion einen universell einsetzbaren 2.000 PS-Maschine im eigenen Land verhinderte. Da es aber nahe lag die gewährte Grundkonstruktion der V 180 beizubehalten, suchte man einen geeigneten Hersteller in der sozialistischen Staatengemeinschaft. Für die Realisierung dieser Aufgabe kam schließlich der rumänische Hersteller „Lokomotivfabrik 23. August“ in Bukarest in Frage. Obwohl die ersten beiden Musterlokomotiven, als BR 119 bezeichneten Maschinen der DR bereits 1977 zur Verfügung standen, begann der Planeinsatz erst 1980. Auf Grund der zahlreichen „Kinderkrankheiten“ konnten sich die Reichsbahner mit dem „U-Boot“ (so genannt wegen der runden Seitenfenster) anfangs nicht so recht anfreunden. Unter vorgehaltener Hand sprach man damals sogar von „Chruschtschow`s letzter Rache“, denn natürlich hatten die Sowjets das Sagen bei den Festlegungen des RGW. Im Prinzip war die 119 keine völlig neue Maschine sondern nur eine Weiterentwicklung der V 180 bzw. 118, aber eben in rumänischer Fertigungsqualität. So kam es vor, dass völlig werksneue 119er zur Mängelbeseitigung erst einmal den Weg ins Raw nahmen. Nach der „Germanisierung“ wie diese Maßnahme in Eisenbahnerkreisen hieß, erfüllten die sechsachsigen Dieselloks ihre Aufgaben recht gut. Insbesondere lösten sie die preußische T 20 (Baureihe 95) auf den steigungsreichen Strecken um Probstzella/Sonneberg ab. Da besonders der rumänische Dieselmotor (MTU-Lizenz) auf Dauer nicht überzeugte, rüstete man die 119er nach und nach mit Motoren aus DDR-Produktion aus.

119 199, 057 und 081 im Bw Halle. Foto vom 25.07.1990 von Gerald Bendrien.

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