Das besondere Bild – Preußen-Dampf und -Benzol in Frankreich oder Belgien
Posted by Hans Kobschätzky on Januar 5, 2025 · Schreibe einen Kommentar
Wir reisen heute zurück in die Zeit des ersten Weltkrieges. Doch wohin? Lassen wir unser Foto seine Geschichte erzählen. Es zeigt einen Bahnhof irgendwo im Westen. Typisch die Gebäudeecken mit der hell-dunklen Abfolge von Steinen. Ein Bahnhofsschild ist leider nirgendwo zu entdecken. Die Bauweise passt gut in die französische Provinz, aber auch Belgien lässt sich sicher nicht ganz ausschließen. Vor dem Bahnhof und einer illustren Gruppe von Fahrzeugen haben sich Uniformierte versammelt - nach meiner Einschätzung Soldaten, überwiegend mit Unteroffiziers- und Offiziersrängen.
Rechts sehen wir eine schmalspurige Lorenbahn, deren Gleise offensichtlich auch zwischen den normalspurigen Gleisen verlaufen. Die Bettung der normalspurigen Gleise sieht allerdings sehr provisorisch aus, wohingegen dass rechts zum Güterschuppen laufende Schmalspurgleis wesentlich dauerhafter eingebettet zu sein scheint. Daraus könnte man schließen, dass dieser Bahnhof zu einer der vielen schmalspurigen Provinzbahnen in Belgien oder Frankreich gehörte und hier vom deutschen Militär auf die Schnelle eine normalspurige Bahn erbaut wurde. Was vielleicht bei der Lokalisierung des Bahnhofs helfen kann.
Verwendet man die Bildersuche von Google, so kommt in den Antworten ein Bild auf "Cartes Postales Anciennes De Lorraine" zurück, welches sehr gut zu der hier wiedergegebenen Szenerie passt. Und - es benennt den Ort - Herbeuville.
Herbeuville, das liegt etwa 25 km südöstlich von Verdun. Es wurde am 21. September 1914 von den Deutschen eingenommen. Bereits am 20.September 1914 wurden die Männer nach Deutschland abtransportiert, am 19.Oktober dann Frauen und Kinder. 1915 wurden dann von hier Kriegsgefangene ins Lager Rastatt gebracht. Herbeuville selbst wurde im weiteren Verlauf des Krieges zu großen Teilen zerstört und 1922/23 wiederaufgebaut. Die Einwohnerzahl, die vor dem Krieg bei über 400 gelegen hatte, war 1921 auf 127 geschrumpft und blieb seither bis zur Gegenwart stets unter 200. Der einstige Bahnhof hat als Wohnhaus überlebt und ist in Google-Maps und Streetview wiederzufinden.
Herbeuville war verkehrstechnisch in das Woevre-Netzwerk integriert, welches sich von Montmedy im Norden über Verdun bis nach Commercy im Süden erstreckte und eine Ausdehnung von 149 km erreichte. Der Wikipedia Artikel "Réseau de la Woëvre" liefert hierzu vielfältige Informationen. Der Aufbau des Netzes begann am Vorabend des ersten Weltkrieges im Jahre 1914 und wurde dann ab 1922 von der "Société Générale des Chemins de Fer Économiques (SE)" bis 1938 betrieben. Welche Teile des Netzwerkes im ersten Weltkrieg von den deutschen Truppen auf Normalspur umgebaut wurde und wie die genauen Streckenverläufe im Verlauf der Kampfhandlungen waren, ist noch zu dokumentieren. In jedem Fall wird auf der Seite "Cartes Postales Anciennes De Lorraine" erwähnt, dass es Umspurungen gegeben hat. Zitat zu dem Bild: "Très belles vues de la gare. Les Allemands avaient passé les voies au format "normal". Après la guerre, les voies ont été repassées à l'écartement métrique." (DE: Sehr schöne Aussicht vom Bahnhof. Die Deutschen hatten die Gleise im "normalen" Format passiert. Nach dem Krieg wurden die Gleise wieder auf metrische Spurweite umgestellt).
Today we are traveling back in time to the First World War. But where to? Let our photo tell its story. It shows a train station somewhere in the west. The corners of the building with the light and dark sequence of stones are typical. Unfortunately, a station sign is nowhere to be seen. The building style fits in well with the French provinces, but Belgium certainly can't be completely ruled out either. Uniformed people have gathered in front of the station and an illustrious group of vehicles - in my opinion soldiers, mostly with non-commissioned officer and officer ranks.
On the right we see a narrow-gauge trolley line, the tracks of which obviously also run between the standard-gauge tracks. However, the bedding of the standard-gauge tracks looks very provisional, whereas the narrow-gauge track running to the goods shed on the right appears to be much more permanently embedded. From this, one could conclude that this station belonged to one of the many narrow-gauge provincial railroads in Belgium or France and that a standard-gauge railroad was built here in a hurry by the German military. This may help in locating the station.
If you use the Google image search, the answers return an image of “Cartes Postales Anciennes De Lorraine”, which fits very well with the scenery shown here. And - it names the place - Herbeuville.
Herbeuville is located about 25 km south-east of Verdun. It was captured by the Germans on September 21, 1914. The men were deported to Germany as early as September 20, 1914, followed by women and children on October 19. In 1915, prisoners of war were taken from here to the Rastatt camp. Herbeuville itself was largely destroyed in the course of the war and rebuilt in 1922/23. The population, which had been over 400 before the war, had shrunk to 127 in 1921 and has remained below 200 ever since. The former railroad station has survived as a residential building and can be found on Google Maps and Streetview.
Herbeuville was integrated into the Woevre network, which stretched from Montmedy in the north via Verdun to Commercy in the south and reached an extension of 149 km. The Wikipedia article “Réseau de la Woëvre” provides a wealth of information on this. Construction of the network began on the eve of the First World War in 1914 and was then operated by the “Société Générale des Chemins de Fer Économiques (SE)” from 1922 until 1938. It remains to be documented which parts of the network were converted to standard gauge by the German troops during the First World War and what the exact routes were during the fighting. In any case, the page “Cartes Postales Anciennes De Lorraine” mentions that there were track changes. Quote for the picture: “Très belles vues de la gare. Les Allemands avaient passé les voies au format “normal”. Après la guerre, les voies ont été repassées à l'écartement métrique.” (DE: Very nice view from the station. The Germans had passed the tracks in the “normal” format. After the war, the tracks were converted back to metric gauge).
Betrachten wir die Fahrzeuge ein wenig genauer. Links eine preußische G8.1. Viel mehr, als dass die Direktionsnummer 4-stellig ist und mit 5 beginnt und der Direktionsname recht kurz, gibt auch die Ausschnittvergrößerung nicht her. Also dürfte es schwer sein, ihre einstige Heimat zu bestimmen. Auf dem Führerstand sehen wird den Lokführer, einen Unteroffizier oder Portopee-Unteroffizier und den Heizer. Als Besonderheit an der G8.1 fällt auf, das sie einen vierachsigen Tender mit 30 bzw. 31 cbm Wasserinhalt besitzt, mit der auch die S9 gekuppelt war. Zu erkennen ist das an der Abstufung der oberen Kante der Seitenwand.
Danach ein Güterwagen mit Spitzdach, vermutlich belgischen Ursprungs. Dies verrät die Beschriftung auf der Tür, zu der ich ein Vergleichsbild beigefügt habe. Dort erkennt man den belgischen Löwen mit der kreisförmig angeordneten Schrift "BELGISCHE STAAT ETAT BELGE". Bei dem Wagen auf dem "Vergleichsbild" handelt es sich um einen der in größerer Anzahl zwischen 1883 und 1887 von der ETAT Belge beschafften geschlossenen 10 Tonnen Wagen mit 3,6 m Achsstand und einer LüP von 7,75 m. Die Wagen waren für den Truppentransport geeignet und verfügten über ein außerhalb des Wagenkasten angeordnetes Bremserhaus, das nur von einer Seite aus (der dem Bild abgewandten Seite) zugänglich war. Daher auch die Asymmetrie. Die Gestaltung des Bremserhauses zeigt das Folgebild, welches einen Blick auf die Stirnseite des Wagens gestattet. Insgesamt wurden 1431 Wagen gebaut, die Nummern im Bereich 64001 bis 65327 erhielten. Der Wagen 64527 wurde auf der Expo 1885 in Antwerpen gezeigt. Der von Hans gezeigte Wagen 64765 stammt aus einer Serie von 600 Wagen, die 1887 geliefert wurden.
Bis zum Jahr 1897 hatte sich der Bestand schon auf 1248 Wagen wieder reduziert, während 1915 von der deutschen Militär-Generaldirektion nur noch 834 Wagen erfasst wurden. Nach 1945 noch vorhandene Wagen wurden in die Type 2000a eingeordnet. Eine Umzeichnung auf das ab 1956 gültige Nummernschema fand nicht mehr statt.
Bei dem auf dem Bild mit dem Benzoltriebwagen sichtbaren Wagen handelt es sich um die Weiterentwicklung des 10 Tonnen Wagens des Vergleichsbildes. Es handelt sich um den ab 1891 in großen Stückzahlen beschafften 15 Tonnen Wagen. In der Ausführung mit hochliegendem Bremserhaus, wie er auf dem Bild zu sehen ist, wurden zwischen 1899 und 1919 3461 Wagen von der ETAT Belge beschafft. Die Wagen mit Handbremse hatten einen Achsstand von 4,20 m bei einer LüP von 9,16 m, während die Wagen ohne Bremserhaus über einen geringeren Achsstand von 4,00 m verfügten und eine LüP von 8,51 m hatten. Nach 1945 wurden die gedeckten 15 Tonnen Wagen der ETAT Belge der Type 2511 zugeordnet. Im Jahr 1950 verfügte die SNCB noch über 8824 15 t-Wagen aller Spielarten der Type 2511. Einige erhielten sogar noch eine UIC-Nummer.
Ihm folgt ein Abteilwagen mit 5 Abteilen, ebenfalls französischer oder belgischer Bauart, wie nicht zuletzt die Form des Bremserhäuschens verrät. Vermutlich handelt es sich um einen Wagen der Etat Belge aus der Serie 3987 bis 4099 (Bj. 1879) bzw. 4103 bis 4112 (Bj. 1884).
Und schließlich ein preußischer Benzoltriebwagen, den wir uns auch einmal als Ausschnittvergrößerung ansehen wollen.
Let's take a closer look at the vehicles. On the left is a Prussian G8.1. The enlarged section doesn't reveal much more than the 4-digit directorate number starting with 5 and the rather short directorate name. So it might be difficult to determine its former home. On the driver's cab we see the engine driver, a non-commissioned officer or portopee non-commissioned officer and the stoker. A special feature of the G8.1 is that it has a four-axle tender with a water capacity of 30 or 31 cbm, to which the S9 was also coupled. This can be recognized by the gradation of the upper edge of the side wall.
Next is a goods wagon with a pointed roof, presumably of Belgian origin. This is indicated by the lettering on the door, for which I have attached a comparison picture. There you can see the Belgian lion with the circular lettering “BELGISCHE STAAT ETAT BELGE”. The wagon in the “comparison picture” is one of the larger numbers of closed 10-ton wagons with a wheelbase of 3.6 m and a length of 7.75 m procured by ETAT Belge between 1883 and 1887. The wagons were suitable for transporting troops and had a brakeman's cab located outside the wagon body, which was only accessible from one side (the side facing away from the picture). Hence the asymmetry. The design of the brakeman's cab is shown in the following picture, which provides a view of the front of the carriage. A total of 1431 wagons were built, which were given numbers in the range 64001 to 65327. Carriage 64527 was shown at the 1885 Expo in Antwerp. The 64765 carriage shown by Hans comes from a series of 600 carriages delivered in 1887. By 1897, the stock had already been reduced to 1248 wagons, while in 1915 only 834 wagons were recorded by the German Military General Directorate. Wagons still in existence after 1945 were classified as type 2000a. The numbering scheme valid from 1956 onwards was no longer used.
The wagon visible in the picture with the petrol railcar is a further development of the 10-ton wagon in the comparison picture. It is the 15-ton car that was procured in large numbers from 1891 onwards. Between 1899 and 1919, ETAT Belge procured 3461 wagons in the version with a raised brakeman's cab, as shown in the picture. The wagons with hand brakes had a wheelbase of 4.20 m with a load capacity of 9.16 m, while the wagons without a brakeman's cab had a lower wheelbase of 4.00 m and a load capacity of 8.51 m. After 1945, the covered 15-ton wagons were assigned to the ETAT Belge type 2511. In 1950, the SNCB still had 8824 15-ton wagons of all variants of the type 2511, some of which were even given a UIC number.
It is followed by a compartment wagon with 5 compartments, also of French or Belgian design, as can be seen not least from the shape of the brakeman's cab. It is probably an Etat Belge coach from the series 3987 to 4099 (built in 1879) or 4103 to 4112 (built in 1884).
And finally, a Prussian petrol railcar, which we also want to take a look at as an enlarged section. Read more
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